Gedenkstätte Esterwegen als Exkursionsziel

Gedenkstätte Esterwegen als Exkursionsziel

Eine Exkursion zur Gedenkstätte Esterwegen veranstaltet das Graf-Adolf-Gymnasium regelmäßig am Schuljahrsende für seine Jahrgangsstufe 9. Und so bot sich 72 Schülerinnen und Schülern am 25. Juni wieder die Möglichkeit des Erinnerung und des Gedenkens – aber auch Möglichkeiten, klar umgrenzten Forschungsfragen nachzugehen. Museumspädagogisch flankiert werden somit Unterrichtsthemen am historischen Ort dokumentiert. Speziell ist es die Geschichte der 15 emsländischen Konzentrations- und Strafgefangenenlager der NS-Zeit. Organisiert von Geschichtslehrer Tobias Sechelmann wurde die Fahrt darüber hinaus von den Fachkolleg·innen Jutta Grimstein und Christian Stroff sowie von der Praxissemesterstudierenden Janice Heitkötter begleitet. Finanziell Unterstützung erfährt das Kooperationsprojekt mit diesem außerschulischen Lernort von der Kreissparkasse Steinfurt mit einem Zuschuss von 500 Euro.
Seit ihrer Entstehung im Februar 1933 bildeten die Emslandlager den Beginn der Einrichtung von „Schutzhaftlagern“, so der NS-Jargon, für politisch Oppositionelle zur Umsetzung der Reichstagsbrandverordnung. Dies stand am Anfang der Inhaftierung, körperlichen Misshandlung und Demütigung in zahllosen Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslagern des NS-Regimes.
In den Emslandlagern waren über 180.000 Menschen inhaftiert, deren Arbeitskraft man für die Kultivierung der Moorlandschaft und im Rahmen industrieller Zwangsarbeit ausbeutete. Mehr als 20.000 von ihnen überlebten ihre Lagerzeit nicht.
Begleitet wurden die drei Klassen durch ihre Geschichtslehrkräfte. Die Vierzehnjährigen erfuhren über eine Region, deren landschaftlicher und wirtschaftlicher Aufschwung sich von 1933 bis 1945 unter anderem durch Zwangsarbeit entwickelte. Inhaftiert in den 15 Arbeits- und Konzentrationslagern entlang der Ems mussten politisch Missliebige und weitere Gruppen in der NS-Zeit Inhaftierter weiträumige Moorgebiete durch Torfstechen für Besiedelung und Landwirtschaft trockenlegen. Weiterhin mussten Häftlinge im Kontext des Zweiten Weltkriegs dort auch Rüstungsgüter produzieren.
Interessiert und engagiert verfolgten die Jugendlichen das museumspädagogische Programm. Auf ihr Vorwissen und ihre Fragen aufbauend, vermittelt es ein vielschichtiges Bild der Emslandlager und der allgemeinen Bedeutung von Zwangsarbeit im NS-Staat. Ein Rundgang auf dem Museumsgelände gibt räumliche Orientierung und ermöglicht noch heute das Erspüren der Situation entlang der damaligen Lagerstraße und den Aufbau des Zentrallagers. Eingeteilt in einen erhöht gelegenen und begrünten Bereich für das Wachpersonal und den heute durch Baumgruppen symbolisierten Barackenbereich für die Häftlinge liefert das Gelände einen Eindruck der Privilegien des Wachpersonals und der Entwürdigung der Häftlinge. Härteste Arbeitstage von 12 bis 14 Stunden, physische Strafen, Mangelernährung, schlechte Hygiene und Krankheiten wie insbesondere Tuberkulose prägten den Alltag der Häftlinge. Dies verdeutlicht am Lagereingang auch der Gedenkstein für den wohl bekanntesten im Emsland Inhaftierten, den deutschen Journalisten, Schriftsteller und Pazifisten Carl von Ossietzky, der zwischen 1933 und 1936 hier interniert war und 1936, zur Zeit der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn, an Tuberkulose erkrankt, unter polizeiliche Überwachung nach Berlin überstellt wurde, wo er 1938 in einem Krankenhaus verstarb.
Die Dokumentation auf dem Außengelände und an all seinen Stationen ist bewusst fragmentarisch erhalten, weist aber geschickt auf noch vorhandene archäologische Spuren und hin. Die kompetente museumspädagogische Begleitung setzt eine Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Inhaftierten in Gang, die im Anschluss in der Dauerausstellung vertieft werden kann.
Kleine Forschungsaufgaben klären Hintergründe und Machtstrukturen des Lagerkomplexes anhand biographischer Schicksale. Die Klassen hatten von ihren Geschichtslehrkräften wieder Rechercheaufgaben erhalten, deren Ergebnisse zu Beginn des neuen Schuljahrs aufgegriffen werden. Hier zeigten sich die Jugendlichen besonders beeindruckt von den Schilderungen der Schikane und des Sadismus der Aufseher, die über Bilder und Tondokumente erschlossen werden können. Wieder zeigte sich, dass warmes Sommerwetter die Exkursion zur „Hölle im Moor“ und damit die Situation der physisch und psychisch Gequälten in vielerlei Hinsicht unterstreicht.
(Hö)